Bundesumweltministerium: Berlin, 02.Februar 2001

Hintergrundpapier zur Novelle des Bundesnaturschutzgesetzes

Grundstein für zukunftsweisenden Naturschutz

Eine grundlegende Modernisierung und konsistente Überarbeitung des Bundesnaturschutzgesetzes als Grundlage für einen zukunftsweisenden Naturschutz ist eines der wesentlichen umweltpolitischen Vorhaben der Bundesregierung in dieser Legislaturperiode. Der jetzt vorgelegte Entwurf zur Novellierung des Bundesnaturschutzgesetzes wurde am 2. Februar 2001 an Länder und Verbände zur Stellungnahme und Anhörung versandt.

I. Ziel und Eckpunkte des Gesetzentwurfs

Mit der naturschutzfachlich und naturschutzpolitisch anspruchsvollen Novellierung soll das geltende Bundesnaturschutzgesetz komplett abgelöst werden. Bewährte Regelungen werden fortgeführt und weiterentwickelt, neue Regelungen und Instrumente eingeführt und die Transparenz durch systematische Vereinheitlichungen verbessert. Dabei sind folgende Eckpunkte hervorzuheben:

Die Zielbestimmung des Gesetzes in § 1 wird erweitert. Wie in der Staatszielbestimmung Umweltschutz im Grundgesetz soll auch im Bundesnaturschutzgesetz die Verantwortung für die zukünftigen Generationen hervorgehoben werden. Neben der Leistungsfähigkeit soll die Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts betont werden. Das entspricht dem heutigen Verständnis von Naturschutz und nachhaltiger Naturnutzung. Zur Sicherung von standorttypischen Lebensräumen und Lebensgemeinschaften, Tier? und Pflanzenarten sowie deren Populationen wird eine Regelung zur Schaffung eines bundesweiten Biotopverbunds eingeführt (§ 3).

Elemente des Biotopverbunds sind geeignete Kernflächen, deren Bestandteile, u.a. bestehende geeignete Schutzgebiete oder Teile davon sowie Verbindungsflächen (z.B. Flussläufe) und Verbindungselemente (z.B. Kirchturm als Nistplatz für Turmfalken). Die Länder sollen dafür mindestens 10 % der Landesfläche zur Verfügung stellen. Die erforderlichen Flächen sind durch geeignete Maßnahmen (Schutzgebiete, planungsrechtliche Festlegungen, Vertragsnaturschutz u.a.) rechtlich zu sichern, um die Existenz des Biotopverbundes dauerhaft zu gewährleisten.

Das Verhältnis von Naturschutz und Landwirtschaft wird neu definiert (§ 5). Die bestehende Vorschrift über Ausgleichsleistungen für Nutzungsbeschränkungen wird in eine allgemeine Rahmenregelung umgewandelt. Künftig wird den Ländern allein aufgegeben, Vorschriften über den Ausgleich von Nutzungsbeschränkungen zu treffen (Abs. 2). Die Einzelheiten bestimmen die Länder. In Abstimmung mit dem Bundesministerium für Verbraucherschutz und Landwirtschaft sind darüber hinaus Anforderungen an die gute fachliche Praxis in der Landwirtschaft aus Naturschutzsicht formuliert (Abs. 3). Dabei geht es um die Unterlassung vermeidbarer Beeinträchtigungen von Biotopen, die Wahl von Bewirtschaftungsverfahren, bei denen die natürliche Ausstattung der Nutzfläche (Boden, Wasser, Tiere und Pflanzen) nicht über das für einen nachhaltigen Ertrag erforderliche Maß hinaus beeinträchtigt wird, der Erhalt der natürlichen Ertragsfähigkeit des Bodens, um die Unterlassung von Grünlandumbruch an erosionsgefährdeten Hängen und in Überschwemmungsgebieten, die Dokumentation des Einsatzes von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln sowie die Festschreibung eines regional ausgewogenen Verhältnisses von Tierhaltung und Pflanzenbau, mit dem Ziel, die Tierhaltung enger an die Futtermittelbasis im Betrieb zu koppeln. Mit den neuen Anforderungen an die gute fachliche Praxis leistet das Bundesnaturschutzgesetz einen wesentlichen Beitrag zur Förderung einer naturverträglichen Landwirtschaft. Außerdem wird die besondere Bedeutung des Vertragsnaturschutzes als Instrument des kooperativen Umweltschutzes besonders hervorgehoben, vgl. § 8. Die Umweltbeobachtung wird rechtlich verankert (§ 12). Damit können ökologisch ungünstige Entwicklungen rechtzeitig erkannt, daraus Prioritäten für praktisches Handeln aufgezeigt und Gefahren für Mensch und Umwelt wirkungsvoller begegnet werden. Zur Stärkung des vorsorgenden Naturschutzes ist die Landschaftsplanung nunmehr flächendeckend vorzunehmen (§§ 15,16). Ausnahmen sind nur für eng begrenzte Flächen im Geltungsbereich eines Bebauungsplans möglich. Der Anwendungsbereich der Eingriffsregelung (§ 18) wird erweitert. Durch Zusammenfassung von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen bei der Prüfung der Zulässigkeit eines Eingriffs soll sie zu sinnvollen Lösungen für den Naturschutz führen und zugleich praktikabler gestaltet werden (§ 19 Abs. 2). Der Schutzgebietsteil wird modernisiert (§§ 22 ff). Das Entwicklungsprinzip wird durchgehend gestärkt. Der Umgebungsschutz und die Möglichkeit, Schutzgebiete in unterschiedlich geschützte Zonen zu gliedern, wird auf dem bereits durch die Rechtsprechung anerkannten Standard eingeführt. Die Nationalparkregelung wird weiterentwickelt: der Prozessschutzgedanke und das Entwicklungsprinzip werden rechtlich abgesichert. Die Umsetzungsvorschriften zur europäischen Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie bleiben inhaltlich unverändert. Ein wesentliches Anliegen des Gesetzgebungsvorhabens ist ein verbesserter Ausgleich zwischen Nutzungsinteressen und dem Schutzbedürfnis der Natur. Entsprechend soll das Verhältnis von Naturschutz zu Sport und Erholung neu definiert werden. Die Sicherung des Erholungswertes von Natur und Landschaft wird in der Zielbestimmung des Gesetzes verankert (§ 1 Nr. 4). Vor allem im siedlungsnahen Bereich sollen ausreichende Flächen für die Erholung bereitgestellt werden (§ 2 Abs. 1 Nr. 13). Hiermit sind auch sportliche Betätigungen in der freien Natur gemeint, allerdings nur dann, wenn sie natur- und landschaftsverträglich sind. Im Zuge einer stärkeren Bürgerbeteiligung und zur Verbesserung der Transparenz naturschutzrelevanter Entscheidungen sieht der Entwurf eine verbesserte Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger vor. In einem neuen Grundsatz ist vorgesehen, dass bei Maßnahmen des Naturschutzes und der Landschaftspflege ein frühzeitiger Austausch mit Betroffenen und der interessierten Öffentlichkeit zu gewährleisten ist (§ 2 Abs. 1 Nr. 15). Daneben wird die Mitwirkung anerkannter Naturschutzverbände verbessert (§§ 56 bis 58). Erstmalig wird im Bundesrecht die Verbandsklage eingeführt (§ 59). Damit wird den insgesamt positiven Erfahrungen mit den bestehenden Verbandsklageregelungen in 13 Ländern und in vielen Staaten Europas Rechnung getragen. Klagemöglichkeiten soll es künftig in allen Ländern und auf Bundesebene geben. Die Klagemöglichkeit der Naturschutzverbände knüpft an ihre Mitwirkung im vorausgegangenen Verwaltungsverfahren an. In der deutschen Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) wird der Meeresnaturschutz gestärkt. Dazu wird das Instrumentarium der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung bei Errichtung, Betrieb und Änderung von Anlagen für anwendbar erklärt. Anlass dafür ist, dass dieser Bereich zukünftig vielfältigen wirtschaftlichen Nutzungsansprüchen, z.B. durch Off-shore-Windenergieparks ausgesetzt ist.

II. Zum Verfahren

 Der Gesetzentwurf enthält anspruchsvolle und zukunftsweisende Regelungen, gleichwohl trägt er der eingeschränkten Rahmengesetzgebungskompetenz des Bundes für das Recht des Naturschutzes und der Landschaftspflege in vollem Umfang Rechnung. Den Ländern verbleibt ein substanzieller Gestaltungsspielraum bei der Umsetzung in Landesrecht. Die Novelle bedarf nicht der Zustimmung der Bundesrates. Dessen ungeachtet wird ein Konsens mit den Ländern gesucht. Der Gesetzentwurf ist von den Bundesressorts intensiv diskutiert worden. Die Bundesressorts haben der Versendung des Gesetzentwurfs zur Anhörung zugestimmt. Länder und Verbände haben nunmehr die Gelegenheit, zu dem Gesetzentwurf Stellung zu nehmen. Anhörungen zu dem Gesetzentwurf werden in der ersten Märzhälfte in Bonn erfolgen. Daran anknüpfend wird der Entwurf abschließend innerhalb der Bundesregierung abgestimmt. Es wird angestrebt, das Gesetzgebungsverfahren so weiterzuführen, dass das parlamentarische Verfahren vor der Sommerpause beginnen kann.